Junge Geflüchtete im Übergang in Ausbildung - Herausforderungen und Chancen der neuen Gesetzgebung

Die digitale Fachtagung am 15. Mai 2024 beleuchtete die migrationsrechtlichen Neuerungen sowie praktische Fragen am Übergang in eine Berufsausbildung für junge Geflüchtete. Circa 100 Teilnehmende diskutierten, wie junge Geflüchtete auf ihrem Weg in und während der Ausbildung gut unterstützt und begleitet werden können.

Je nach Aufenthaltsstatus gestaltet sich der Zugang zur Arbeit und Ausbildung von Geflüchteten anders. Robert Ostry von Tür an Tür in Augsburg ging auf wichtige gesetzliche Grundlagen und Möglichkeiten der neuen Gesetzgebung ein. Yasmin Zein vom Netzwerk Unternehmen integrieren Flüchtlinge (nuif) gab einen Überblick zur Motivation von Betrieben, Geflüchtete zu beschäftigen und stellte Herausforderungen sowie einige Beispiele zur Unterstützung aus dem Netzwerk vor. Im Praxisteil ging es darum, was die Jugendsozialarbeit tun kann, um junge Menschen vor und während einer Berufsausbildung zu unterstützen. Bettina Schmidtmann aus der Jugendberufshilfeeinrichtung SINA (Diakonisches Werk Hannover gGmbH) teilte ihre Erfahrungen in der Begleitung der Teilzeitberufsausbildung von jungen Frauen. Sie zeigte, wie Teilzeitberufsausbildung mit einer guten Begleitstruktur für junge Menschen mit Fluchterfahrungen geeignet sein kann. Die Vorteile einer verzahnten Beratung und Begleitung von Jugendmigrationsdienst und Jugendberufshilfe stellte Lukas Meinberg aus der Jugendwerkstatt Regensburg heraus. Elke Bott-Eichenhofer, Bundestutorin der CJD Jugendmigrationsdienste, skizzierte in der Abschlussrunde die spezifischen Potentiale und Herausforderungen von Mädchen* und jungen Frauen* mit Zuwanderungsgeschichte.

Eine Zusammenfassung der Vorträge finden Sie unter den jeweiligen Überschriften.

„Aufenthaltsrecht und junge Geflüchtete - Rahmenbedingungen und relevante Neuerungen“, Robert Ostry, BAVF Plus, Tür an Tür – Integrationsprojekte gGmbH, Augsburg

Robert Ostry stellte die wichtigsten gesetzlichen Grundlagen und Chancen der neuen Gesetzgebung vor. Beim Migrationsrecht sind viele Ebenen und Gesetze betroffen wie die EU-Aufnahme- oder Massenzustrom-Richtlinie, das Aufenthaltsgesetz (Schwerpunkt des Vortrags) oder Verwaltungsverfahrensgesetze, die die Ausländerbehörden betreffen. So ist das Aufenthaltsgesetz (AufenthG) zwar Bundesrecht, aber die Umsetzung liegt in der Hoheit der Bundesländer.

Eine Person kann im Laufe des Aufenthalts verschiedene Aufenthaltsstatus durchlaufen und Robert Ostry ging auf drei wichtige Status und Übergänge näher ein:

•    Aufenthaltsgestattung, Person ist im laufenden Asylverfahren
•    Duldung, vorrübergehende Aussetzung der Abschiebung
•    Aufenthaltserlaubnis, ein Aufenthaltstitel, der befristet zu einem bestimmten Zweck erteilt wird

Je nach Aufenthaltsstatus gestaltet sich der Zugang zu Arbeit und Ausbildung anders. Im Ausländerzentralregister beispielsweise sind über 30 verschiedene Duldungsgründe erfasst. Darüber hinaus hat der Status Einfluss auf Fördermöglichkeiten wie BAföG oder Berufsausbildungsbeihilfe.

Anhand von zwei positiven Fallbeispielen von jungen Geflüchteten stellte Robert Ostry wichtige gesetzliche Änderungen vor. Herr M., der vom Chancen-Aufenthalt §104c AufenthG in das Bleiberecht des §25b (Aufenthaltsgewährung bei nachhaltiger Integration) übergeht. Des Weiteren Frau A., die aus einer Duldung in die Aufenthaltserlaubnis nach §16g zur Berufsausbildung wechselt. Dabei wurden die unterschiedlichen Voraussetzungen beleuchtet, die für die jeweilige Aufenthaltserlaubnis notwendig sind.

Den §16g „Aufenthaltserlaubnis zur Berufsausbildung für ausreisepflichtige Ausländer“ gibt es neu seit März dieses Jahres. Eigentlich war mit dem §16g die Hoffnung verbunden, die Ausbildungsduldung (§60c) zu ersetzen. Aber beide Aufenthaltsstatus blieben bestehen, sodass es weiterhin Auszubildende mit dem Aufenthaltsstatus Ausbildungsduldung (§60c) sowie neu mit einer Aufenthaltserlaubnis zur Berufsausbildung (§16g) geben wird. Die Aufenthaltserlaubnis nach §16g ist der „bessere“ Aufenthalt, da hier Auslandsreisen und Familiennachzug möglich sind. Zudem wird die Zeit während der Ausbildung auf die Voraufenthaltszeit für die Niederlassungserlaubnis (schnellerer Wechsel in einen unbefristeten Aufenthalt) angerechnet. Die Voraussetzung für die Aufenthaltserlaubnis zur Berufsausbildung ist an höhere Voraussetzungen wie die geklärte Identität, die Passpflicht und die Lebensunterhaltssicherung geknüpft. Ein Wechsel von der Ausbildungsduldung nach §60c in die neue Aufenthaltserlaubnis nach §16g ist mit Antragstellung bei Erfüllung der Voraussetzungen möglich (für mehr Informationen siehe Vortragsfolien).

„Integration von Geflüchteten im Betrieb - Perspektiven und Herausforderungen für Arbeitgebende sowie für junge Geflüchtete“ Yasmin Zein, Projektreferentin, Netzwerk Unternehmen integrieren Flüchtlinge (nuif)

Das Netzwerk nuif berät und organisiert Austauschformate und macht das Engagement von Betrieben sichtbar. Yasmin Zein ging auf die letzte Mitgliederbefragung ein und gab einen Überblick zur Motivation von Betrieben, Geflüchtete zu beschäftigen. Zudem erläuterte sie Herausforderungen aus Sicht der Betriebe und stellte einige Beispiele zur Unterstützung aus dem Netzwerk vor.

2023 war das Hauptmotiv für die Aufnahme von Geflüchteten im Betrieb erstmals der Fach- und Hilfskräftemangel (84 Prozent der befragten Unternehmen), dicht gefolgt von der Übernahme sozialer Verantwortung (76 Prozent). In den Vorjahren (seit 2017) war dies immer andersherum gewesen.

Als größte Herausforderung bei der beruflichen Integration von Geflüchteten bewerteten Unternehmen die rechtlichen Rahmenbedingungen, komplizierten Verfahren und Vorschriften bei der Beschäftigung von Geflüchteten. Die zweitgrößte Herausforderung nannten sie sprachliche Hürden. Im Vergleich zur vorangegangenen Mitgliederbefragung ist der Wert für sprachliche Hürden jedoch gesunken. Ca. 70 Prozent der befragten Betriebe halten die Sprachprobleme zudem für überwindbar. Auch das Thema Schwierigkeiten in der Berufsschule steht seit vielen Jahren in der Mitgliederbefragung als Herausforderung an oberer Stelle.

Um diesen und weiteren genannten Herausforderungen zu begegnen, führte Yasmin Zein Beispiele für Unterstützung aus dem Netzwerk an. So gibt es beispielsweise in jedem Bundesland eine oder einen Regionalbotschafter*in. Ein Mitglied aus dem Netzwerk, das als Ansprechperson und „Good-Practice“ fungiert und von anderen Unternehmen bei Fragen und Problemen angesprochen werden kann. Hilfreich für Azubis mit Fluchtgeschichte sind Tandems, also niedrigschwellige Ansprechpartner*innen im Unternehmen, die die Ausbildung gerade abgeschlossen haben oder ein Jahr weiter sind. Lerngruppen können die Berufsschule erleichtern. Zudem können Auszubildende mit Instrumenten der Ausbildungsförderung, wie die Assistierte Ausbildung, vor und während der Ausbildung unterstützt werden. Um Sprachbarrieren zu überwinden kann es hilfreich sein, Ausbilder*innen zu sensibilisieren, das Nachfragen von Azubis mehr zu fördern oder Gelerntes wiederzugeben, um ein Gespür zu erhalten, was angekommen ist. Nützlich sind zudem vom Netzwerk erstellte berufsspezifische Vokabelflyer in verschiedenen Sprachen oder Visualisierungen, wie eine Krankschreibung funktioniert (für mehr Informationen siehe Vortragsfolien).

 

„Erfahrungen in der Begleitung der Teilzeitberufsausbildung mit Blick auf junge Menschen mit Fluchterfahrungen“ Bettina Schmidtmann, Stellv. Abteilungsleiterin, SINA Soziale Integration Neue Arbeit, DW Hannover gGmbH

Bettina Schmidtmann stellt die Teilzeitberufsausbildung „TaF – Teilzeitausbildung für junge Frauen mit Kind“ vor, die SINA in Kooperation mit Betrieben und Berufsschulen bereits im 24. Jahr in Hannover durchführt. Junge Frauen machen ihre Ausbildung im Betrieb und SINA begleitet sie. Die Prüfung findet regulär vor den zuständigen Kammern statt.

Die Teilzeitberufsausbildung mit SINA startet im Frühjahr mit einem Vorbereitungslehrgang mit dem Ziel, im Sommer in eine Teilzeitberufsausbildung einzumünden. Während der Teilzeitausbildung arbeitet die junge Auszubildende 30 Stunden (Teilzeit) in der Woche im Betrieb und die Berufsschule wird regulär in Vollzeit besucht. Bei SINA findet die Ausbildungsbegleitung vor und während der Berufsausbildung durch eine Sozialpädagogin sowie eine Lernbegleitung statt. Zudem bietet SINA, wenn möglich, flexible Kinderbetreuung an. SINA hat somit eine Bindefunktion zwischen Auszubildende, Betrieb und Berufsschule.

In der sozialpädagogischen Ausbildungsbegleitung geht es um Berufsorientierung, Stärken-Schwächen-Analysen und die familiäre Situation. SINA unterstützt in sämtlichen Behördenangelegenheiten. Mit Blick auf den Schwerpunkt der Veranstaltung werden Besonderheiten beleuchtet, die Frauen mit Fluchterfahrungen mitbringen. Es kann sein, dass es keine oder weniger Spezifizierung in der Frauenerwerbstätigkeit im Herkunftsland gibt. Daher ist es wichtig, die Vielfalt an Berufen in Deutschland kennenzulernen. Fluchterfahrung kann eine große Stärke sein. So haben sich die Frauen auf verschiedenen Wegen durchgekämpft, mit ihren Kindern viel erlebt und beim Ankommen in Deutschland viel gemeistert. Junge Frauen können jedoch auch hinderliche traumatische Erfahrungen während der Flucht oder in ihrem Heimatland gemacht haben. Eine vertrauensvolle Begleitung vor und während der Teilzeitausbildung ist hier wichtig. Die familiäre Situation kann sehr unterschiedlich sein. Das spielt eine wichtige Rolle, weil es um die Unterstützung in der Kinderbetreuung geht und um die familiäre Gesamthaltung zur Unterstützung in der Ausbildung. Neben der individuellen Ausbildungsbegleitung gibt es auch sozialpädagogische Gruppenangebote. Diese sind wichtig, um Freundschaften zu schließen, aber auch um zu spüren, dass die Frauen in ihrer Situation nicht allein sind (weitere Informationen siehe Vortragsfolien).

 

„Jugendmigrationsdienst und Jugendberufshilfe unter einem Dach – Vorteile einer verzahnten Beratung und Begleitung“ Lukas Meinberg, Leitung Jugendmigrationsdienst, Jugendwerkstatt Regensburg e. V.

Lukas Meinberg aus der Jugendwerkstatt Regensburg und Leiter des Jugendmigrationsdienstes Regensburg stellte die Vorteile einer verzahnten Beratung und Begleitung von Jugendmigrationsdienst und Jugendberufshilfe vor.

Die Verzahnung in der Jugendsozialarbeit beschreibt er als „nachhaltige und individuelle Begleitung durch mindestens zwei eingespielte Akteure aus mindestens zwei Feldern der Jugendsozialarbeit mit dem Ziel, ohne Verlust von Ressourcen und unter individueller Berücksichtigung des jungen Menschen eine dauerhafte Integration (in den Arbeitsmarkt) zu erreichen“.

Der Jugendmigrationsdienst Regensburg sowie Angebote der berufsbezogenen Jugendhilfe werden unter dem Dach der Jugendwerkstatt Regensburg angeboten. Es gibt Beratung sowie niedrigschwellige Angebote, Vorschalt- und Ausbildungsmaßnahmen für junge Menschen im Rahmen einer Jugendwerkstatt oder begleitet in regulären Betrieben. Beispielsweise hat die Jugendwerkstatt im Jahr 2023 mehr als junge Menschen ausgebildet, davon weit über die Hälfte mit Migrationshintergrund. Der Jugendmigrationsdienst betreut und begleitet jährlich bis zu über 500 junge Menschen aus den verschiedenen Herkunftsländern sowohl nur über wenige Monate als auch im Case Management über mehrere Jahre.

Für junge Geflüchtete ist die Verzahnung der Angebote ein Gewinn. Bei rechtlichen Rahmenbedingungen kann ein*e Berater*in im JMD helfen und der*die Sozialpädagog*in unterstützt, wenn es um die Ausbildung geht. Ein junger Mensch beschreibt das folgendermaßen: „Das alte Haus in der Glockengasse, da ist alles. Formulare ausfüllen, Arbeit suchen, Ausbildung machen. Und immer wieder kommen dürfen“ (M., 23 Jahre). Oder eine 26-Jährige sagt: „Für mich waren vier Leute da. Sozialpädagogen für private Probleme, Berater für Diskussion mit der Ausländerbehörde, Ausbilderin für den Beruf und Lehrerin für die Schule“ (T., 26 Jahre) (weitere Informationen siehe Vortragsfolien).

Gender-Blitzlicht, Elke Bott-Eichenhofer, CJD Bodensee-Oberschwaben

Zum Ende der Tagung skizzierte Elke Bott-Eichenhofer in einem Blitzlicht die spezifischen Potentiale und Herausforderungen von Mädchen* und jungen Frauen* mit Zuwanderungsgeschichte (weitere Informationen siehe pdf-Dokument).

Ergänzende Materialien stehen im Tagungspadlet zur Verfügung, das Sie über diesen Link erreichen.