Feministische Perspektiven auf Armut junger Menschen

24.01.2024

Feministische Perspektiven auf Armut junger Menschen

„Feministische Perspektiven auf Armut junger Menschen“ war das Thema des Online-Vortrags von Dr.in Ines Pohlkamp am 21. November 2023 in der Reihe „Junge Menschen in prekären Lebenslagen aus geschlechterreflekiver Sicht“.

Sie startete den Vortrag mit ihrer persönlichen Erfahrung und führte dann die feministischen Perspektiven zum Thema Armut aus. Diese sind immer eine Kritik der aktuellen Geschlechterverhältnisse im Kapitalismus.  Junge Menschen, die subjektiv von Klassismus (Vorurteile oder Diskriminierung aufgrund der sozialen Herkunft oder der sozialen Position) betroffen sind, sind in besonderem Maße von gesellschaftlicher Teilhabe ausgeschlossen und unterliegen strukturell einem fokussierten Normativitätsdruck. 

Die Referentin ging zunächst der Frage nach: Wie wirken sich intersektionale Ausschließungsprozesse auf die Lebenswelten weiblicher junger Menschen aus? Hierfür beleuchtete sie die Schnittstelle von Alter (Adoleszenz), Gender (Cis*-/Trans*Weiblichkeit) und soziale Klasse (Prekariat). Sie vertrat dabei folgende Thesen:

  • Strukturelle Räume für VerUneindeutigungen, die sich der neoliberalen Logik (Du kannst alles, wenn Du Dich nur anstrengst) entziehen, ermöglichen im besonderen Maße Zugänge für Selbstreflexion und Widerstand für Mädchen und Frauen.
  • Gleichsam ist die Jugendsozialarbeit aufgefordert, sich politisch gegen die Individualisierung von geschlechtsbezogener Armutserfahrung zu wenden. 

In der Diskussion wurde die Frage aufgeworfen, was die für uns in der Praxis relevanten Strukturen sind, welche Armut befördern. Ines Pohlkamp führte aus, dass das sowohl rechtliche als auch individuelle sein können. Zum Beispiel sind in der Jugendhilfe so wenig Ressourcen eingeplant, dass die Etablierung einer klassismuskritischen Kinder- und Jugendarbeit kaum möglich ist. Notwendig sind deshalb intersektionale Auseinandersetzungen der Fachkräfte in Weiterbildungen, um die rechtlichen und sozialen Strukturen für Kinder und Jugendlichen aus prekären Lebenswelten in den Blick zu nehmen. Strukturell müssen Personal, Ressourcen und Räume geschaffen werden, die Armut und Prekarisierung junger Menschen mit Unterstützung und Teilhabe beantworten zu können. Die aktuellen Kürzungen der Bundesregierungen verschärfen hier weiter die Situationen in der Jugendhilfe.

Zusammenfassend betonte die Referentin, dass es schmerzhaft sei, sozio-kulturelle Beschränkungen und fehlende Teilhabe aufgrund von Armut und Prekariat zu erfahren.

Die Fachkräfte sind deshalb aufgefordert, immer wieder die gesellschaftlichen Normen/Erwartungen an unsere Adressat*innen zu problematisieren. Dabei gilt es stets das eigene Normen/Wertesystem fehlerfreundlich kritisch zu hinterfragen. Fachkräfte können die rebellischen und widerständigen Handlungen der jungen Menschen anerkennen und sie als Stärke wahrnehmen. Sie müssen sich als Fachkräfte selbst in Bezug auf ihr Erleben von Gender, Klassenzugehörigkeit, Migration, Gesundheit/Krankheit und weiteren Mehrfachzugehörigkeiten reflektieren.

Arbeitet die Kinder- und Jugendhilfe mit einer fachlichen Konzeption im Umgang mit Armut aus intersektionaler Perspektive, muss sie künftig Empowerment-Räume eröffnen. Sie ermöglichen es, die vielfältigen Lebenserfahrungen der Kinder- und Jugendlichen bzw. die Lebenserfahrungen der Fachkräfte in den Mittelpunkt zu stellen. Dies kann zu neuen Konzepten in der Kinder- und Jugendhilfe führen, in denen Empowerment für armutsgefährdete und betroffene Kinder- und Jugendliche, Sensibilisierung der Privilegierten und politische Teilhabe ermöglicht werden.