Zwischenruf: Jung. Wahrgenommen. Wertgeschätzt?
Zukunft ist immer!
Alle jungen Menschen haben Anspruch auf Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe. Das ist gerade ein Problem, denn es gibt nicht ausreichend Angebote für den angezeigten Bedarf: steigende Inobhutnahmen, junge Menschen mit niedrigen Bildungsabschlüssen ohne begleitete Ausbildungsplätze, zunehmend prekäre Lebenslagen junger Erwachsener. Besonders betroffen sind hiervon junge Menschen mit Migrations- und Fluchterfahrungen.
Politik und Gesellschaft überfrachten das völlig überlastete System der Kinder- und Jugendhilfe mit immer neuen Aufgaben. Mit der Reform zum inklusiven SGB VIII steht sie aktuell vor einer weiteren großen gesamtgesellschaftlichen Herausforderung. Gleichzeitig ist kein politischer Wille erkennbar, dieses System als Investition in die Zukunft zu begreifen und entsprechend auszustatten. Die Leistungsfähigkeit der Kommunen stößt schon lange an ihre Grenzen. Die soziale Infrastruktur vor Ort mit ihren präventiven Angeboten der Jugendsozialarbeit wird zu Gunsten individueller Rechtsansprüche entweder prekär ausgestattet oder eingespart. Die langfristigen Folgen dieses Mangels an gesetzlich garantierter Förderung und Begleitung sind gravierend. Wenn Übergänge in Ausbildung und Beruf nur bedingt gelingen, ist ein gutes Ankommen in der Gesellschaft und in einer erstrebenswerten Zukunft besonders schwer. Jeder junge Mensch, der dabei auf der Strecke bleibt, fehlt: Als Teil unserer vielfältigen Gesellschaft, als Fachkraft, als junger Mensch mit eigenen Ideen für unsere Zukunft.
Deshalb appelliert Evangelische Jugendsozialarbeit an die Verantwortlichen in Bund, Ländern und Kommunen:
Stärkt die Kinder- und Jugendhilfe als Teil der sozialen Infrastruktur - abgestimmt und in gemeinsamer Verantwortung!
Bund, Länder und Kommunen sind gemäß § 1 SGB VIII in der Pflicht, allen jungen Menschen in Deutschland das gesamte Leistungsspektrum der Kinder- und Jugendhilfe zugänglich zu machen und damit ihren Teil zu Ausbau und Sicherung einer sozialen Infrastruktur zu leisten. Gelingt der scheinbare Widerspruch, gleichzeitig föderale Strukturen zu stärken und die Kosten unter den Beteiligten gerecht zu verteilen?
Ja! Es braucht ein neues Miteinander von Bund, Ländern und Kommunen, um die soziale Infrastruktur vor Ort zukunftsfähig zu machen. Das Finanzierungssystem des Kinder- und Jugendhilfegesetzes von 1990/91 ist nicht ausgelegt für ein System von der Größenordnung der heutigen Kinder- und Jugendhilfe. In den letzten Jahren enorm ausgebaute Leistungen wie Kindertagesbetreuung, schulische Ganztagsbetreuung und Schulsozialarbeit sind wichtige Parameter einer modernen Daseinsvorsorge, die als gesamtgesellschaftliche Aufgabe verstanden werden muss.
Bund und Länder haben die Möglichkeit, sich über Programme zu beteiligen und können dabei entscheiden, was und wieviel sie investieren. Hier braucht es mehr Verbindlichkeit – für die Kommunen, damit sie ihre eigenen Angebote mit den Programmen von Bund und Ländern abgleichen und damit Parallelstrukturen vermeiden und Synergieeffekte erreichen können.
Deshalb appelliert Evangelische Jugendsozialarbeit an die Verantwortlichen in Bund, Ländern und Kommunen:
Beseitigt die faktische Hierarchie zwischen individuellen Rechtsansprüchen und objektiven Rechtsverpflichtungen – Bedarfsgerechtigkeit braucht Angebotsvielfalt!
Die Jugendhilfe ist gekennzeichnet durch die Vielfalt von Trägern unterschiedlicher Größe und Wertorientierungen und die Vielfalt von Inhalten, Methoden und Arbeitsformen. (§3 SGB VIII)
Freie Träger entwickeln und halten Angebote dort vor, wo der Bedarf ist –sie setzen so vor Ort das Subsidiaritätsprinzip um. Denn Unterstützung ist dann am effektivsten, wenn sie direkt an den Bedürfnissen und Möglichkeiten der jungen Menschen anknüpft.
Durch niedrigschwellige Angebote und begleitetes ehrenamtliches Engagement schaffen freie Träger der Jugendhilfe andere Zugänge in das Hilfesystem und können so auch junge Menschen erreichen, die für den öffentlichen Träger der Jugendhilfe nicht mehr erreichbar sind.
Freier und öffentlicher Träger sollen eine Verantwortungsgemeinschaft bilden und sich in gegenseitiger Wertschätzung und mit dem gemeinsamen Ziel, junge Menschen zu unterstützen und zu begleiten, ergänzen. (§4 SGBVIII)
Aber: Freie Träger, die in Zeiten des Fachkräftemangels und stetig steigender Kosten sehr genau überlegen müssen, wo sie sich (noch) engagieren (können), brauchen Planungssicherheit. Projekte mit einjähriger Laufzeit, ein Jahr im Vorfeld beschieden und ohne Flexibilität z.B. mit Blick auf steigende Entgelte von Mitarbeitenden, sind für wirtschaftlich arbeitende Träger nicht vernünftig umsetzbar
Deshalb appelliert Evangelische Jugendsozialarbeit an die Verantwortlichen in Bund, Ländern und Kommunen:
Erhaltet die im SGB VIII verankerte Zusammenarbeit der öffentlichen und freien Träger – zukunftsfähige Kinder- und Jugendhilfe braucht diese Verantwortungsgemeinschaft!
Beschlossen vom Hauptausschuss der BAG EJSA im April 2024