Das Wissen um Neurodiversität und die spezifischen Bedarfe betroffener Menschen ist in der Jugendsozialarbeit sehr gering. Doch neurodivergente Menschen z.B. Personen mit Autismus, ADHS, Dyskalkulie, Legasthenie, Dyspraxie, Synästhesie, Tourette-Syndrom, bipolarer Störung und Hochbegabung, begegnen uns immer wieder in der täglichen Arbeit.
Daher soll dieser Kacheltalk ein erster Schritt dazu sein, Antworten auf folgende Fragen zu finden: „Wie kann ein differenzierter Blick auf den Umgang mit neurodivergenten Mädchen* und junge Frauen* gelingen?“ und „Wie muss sich Jugendsozialarbeit verändern, um auch diesen jungen Menschen gute Angebote machen zu können?“.
Unser 90-minütiges Format möchte dazu Impulse bieten und einen praxisnahen Austausch anstoßen.
Hierfür werden drei Inputs den Auftakt bilden:
- Christine Schubart (YES Innovation & Research e.V.) stellt zentrale Erkenntnisse aus dem europäischen Projekt „NeuroDiversity from a Female Perspective“ (2024-27) vor – Ihr Fokus liegt auf strukturellen Barrieren, intersektionalen Herausforderungen und ersten Empfehlungen für die Praxis.
- Maria Peixoto (Teamleitung Trebe Café Düsseldorf) berichtet aus der täglichen Arbeit mit jungen, teils traumatisierten und neurodivergenten Frauen* – konkret, authentisch und mit Blick auf notwendige strukturelle Veränderungen in den Angeboten.
- Vera Mayr (BAG EJSA, jmd digital-hub) teilt ihre Erfahrungen als Fachkraft mit ADHS – persönlich und professionell zugleich – und eröffnet damit eine zusätzliche Perspektive auf neurodiverse Fachrealitäten in der Jugendsozialarbeit.
Eingeladen sind Fachkräfte aus allen Bereichen der Jugendsozialarbeit: aus der Mädchen*sozialarbeit, Schulsozialarbeit, offenen oder aufsuchenden Arbeit mit Mädchen* und jungen Frauen*, der Berufsorientierung sowie der Jugendmigrationsarbeit.
Der Kacheltalk ist als Auftakt gedacht, um Interesse und Bedarfe rund um dieses fachlich wenig beleuchtete Thema zu sammeln und soll die Grundlage für weiteren, praxisorientierten Austausch legen.
Termin: Donnerstag, 3. Juli 2025 | 10:00–11:30 Uhr
Ort: Online (Zoom-Link nach Anmeldung)
Zielgruppe: Fachkräfte aus allen Bereichen der Jugendsozialarbeit
Wir freuen uns auf sie und einen lebendigen Kacheltalk!
Anmeldung gerne bei: Christiane Weidner, Referentin für Mädchen*sozialarbeit und Gender Mainstreaming (weidner
Der Zoom-Link wird sodann zeitnah vor der Veranstaltung verschickt.
Hintergrundinformationen: Warum fokussiert das YES IR-Projekt auf weiblichen Erscheinungsformen von und Perspektiven auf Neurodiversität?
Das Projekt „NeuroDiversity from a Female Perspective“ richtet seinen Blick bewusst auf weibliche Jugendliche, da diese in Forschung, Diagnostik und Praxis nach wie vor unterrepräsentiert sind. Ein zentraler Ausgangspunkt ist die Erkenntnis, dass die gängigen Diagnoseverfahren für ADHS und Autismus veraltet und stark männlich geprägt sind. Während die öffentliche Wahrnehmung weiterhin vom Stereotyp des "Zappelphilipp" dominiert wird, fehlt es an fundiertem Wissen über die spezifischen Ausprägungen neurodivergenten Verhaltens bei Mädchen* und jungen Frauen*.
Diese Wissenslücke hat gravierende Folgen: Mädchen* werden häufig zu spät, falsch oder gar nicht diagnostiziert. Ihre Symptome bleiben im schulischen oder sozialen Kontext unerkannt oder werden vorschnell anderen Ursachen zugeschrieben. Dadurch erhalten sie oft keine passende Unterstützung – weder im Bildungssystem, noch in der Jugendhilfe oder anderen Angeboten der Jugend(sozial)arbeit.
Die aktuelle Herausforderung besteht also darin, geschlechtsspezifische Unterschiede in der Neurodiversität stärker in den Blick zu nehmen. Denn das Geschlecht wirkt als zusätzliche Ebene der Differenz und erschwert eine angemessene Wahrnehmung und Begleitung dieser jungen Menschen. Neben fehlenden Angeboten mangelt es auch an strukturellem Wissen: Fachkräfte wissen oft nicht, wie sie mit neurodiversen Mädchen* und jungen Frauen* adäquat arbeiten können – sei es in der Schulsozialarbeit, der offenen Jugendarbeit oder spezialisierten Hilfeangeboten.
Hinzu kommt ein weiterer blinder Fleck: Auch neurodivergente Fachkräfte selbst treffen in Teams oft auf wenig Verständnis oder Unterstützung. Es fehlt an Wissen, wie ihre besonderen Bedürfnisse für ein inklusives und förderliches Arbeitsumfeld berücksichtigt werden können.
Ziel des Projekts ist es daher, diese Leerstellen zu schließen, geschlechtsspezifische Perspektiven auf Neurodiversität sichtbar zu machen – und daraus konkrete Impulse für die Praxis der Jugendsozialarbeit in ganz Europa abzuleiten.