Deutsch-türkischer Fachkräfteaustausch "Zugänge zu Bildung und Teilhabe für junge Geflüchtete" im November 2019 in Mainz

Wie gelingen die Zugänge zu Bildung und Teilhabe für junge Geflüchtete und wie tragen die verschiedenen Akteure hierzu bei? Diese Kernfragen beschäftigten auch im Rahmen der dritten Begegnung zu dem Thema die Teilnehmer*innen aus unterschiedlichen Regionen Deutschlands und der Türkei. Mitarbeitende von Trägern der freien Kinder- und Jugendhilfe trafen Vertreter*innen der türkischen Ministerien für Bildung, Jugend und Sport, Familie und Soziales und des Amtes für Migration (entspricht dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge). Zu Beginn des dreitägigen Aufeinandertreffens in Mainz berichteten die Teilnehmer*innen zunächst gegenseitig über die aktuellen Entwicklungen in den beiden Ländern.

In der Türkei wird die Diskussion nach wie vor von den sehr hohen Flüchtlingszahlen und dem kontinuierlichen Zuzug, insbesondere aus Syrien, geprägt. Innerhalb der letzten Jahre wurde ein System zur Registrierung und Zuweisung aller geflüchteten Menschen aufgebaut, das vergleichbar mit dem System des deutschen Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge ist. Abweichend hierzu sind finanzielle und materielle Hilfen jedoch an den Aufenthalt in zentralen Lagern gebunden, sobald die Geflüchteten sich selbst Wohnraum suchen, sind sie auch finanziell völlig auf sich allein gestellt. Dies erklärt auch, dass viele Kinder und Jugendlichen nicht regelmäßig zur Schule gehen, sondern für den Lebensunterhalt der Familien sorgen. Als Konsequenz streben die Verantwortlichen in der Türkei an, Hilfen zum Lebensunterhalt der Familien, gekoppelt an einen regelmäßigen Schulbesuch der Kinder, einzuführen.

Eine dauerhafte Aufenthaltsberechtigung können Geflüchtete in der Türkei nicht erhalten. Der Sprachgebrauch von „Gästen“ im Land - wie noch in 2017 häufig verwendet – ist nicht mehr so oft anzutreffen, man geht jedoch nach wie vor von einer schnellstmöglichen Rückkehr ins Herkunftsland aus.

In Deutschland hingegen haben die Zuzugszahlen in den vergangenen Jahren kontinuierlich abgenommen, die spezifischen Wohnangebote für unbegleitete Minderjährige, die Erstaufnahmeeinrichtungen und auch spezifische Sprachförderangebote wurden zum Teil geschlossen. Die unbegleitet als Minderjährigen angekommenen jungen Menschen sind inzwischen volljährig und als Care Leaver weitgehend auf sich alleine gestellt. Fehlender Wohnraum und die Entwicklung passgenauer Unterstützung im Ausbildungssystem sind die aktuellen Herausforderungen.

Gemeinsam formulierten die Teilnehmer*innen am Ende Forderungen, die für Deutschland und die Türkei gleichermaßen gelten:

  • Statusunabhängigen Zugang zu Bildung gewährleisten, u.a. auch durch bedarfsgerechte finanzielle Unterstützung (in Deutschland BaföG, BAB usw.)
  • Bedarfsgerechte Unterstützung von technischer Ausstattung, über ÖPNV, Anerkennung von Bildungsabschlüssen, Ermöglichung von Beschäftigung und Selbstständigkeit bis hin zur finanziellen Unterstützung
  • Förderung in der Schule verbessern durch berufsbegleitende Qualifizierung von Lehrkräften

Die gemeinsame Arbeit am Thema über den langen Zeitraum von beinahe vier Jahren und das hierdurch gewachsene Vertrauen zwischen den Teilnehmer*innen prägte die Diskussion maßgeblich. Ein gemeinsames Interesse, jungen Geflüchteten Zugang zu Bildung und Teilhabe zu eröffnen überwog deutlich der Suche nach Unterschieden zwischen den Ländern oder einer Beurteilung über die Passgenauigkeit von Konzepten. Die Verständigung über Sprachgrenzen und Systemunterschiede hinweg bleibt als große Herausforderung der Austauschaktivitäten bestehen. Auch im Rahmen der Veranstaltung in Mainz stellten die Teilnehmer*innen immer wieder fest, dass gleiche oder ähnliche Begriffe nicht unbedingt auf gleichen oder ähnlichen Konzepten gründen. Dies unterstreicht umso mehr das wichtige Anliegen des Austausches, miteinander im Gespräch zu bleiben und die gegenseitige Verständigung über Konzepte und Ansätze der Jugendsozialarbeit in Deutschland und der Türkei kontinuierlich voranzubringen