Am 23. und 24. Mai stand die Frage nach dem professionellen Selbstverständnis der Schulsozialarbeit im Mittelpunkt der Referate und Diskussionen. Schulsozialarbeiter*innen sind in ihrem Arbeitsalltag und den entsprechenden Netzwerken unterschiedlichen Wünschen und Forderungen nach Zusammenarbeit, Unterstützung und Übernahme von Aufgaben ausgesetzt. Der Spagat zwischen gelingender Zusammenarbeit und gelingender Abgrenzung gehört zum Alltag der Schulsozialarbeit. Eine klare professionelle Haltung gibt hier Handlungssicherheit und eröffnet gleichzeitig Spielräume.
Heike Gumz, Universität Kassel, führte im ersten Referat "Zwischen den Stühlen? - Schulsozialarbeit als Angebot der Kinder- und Jugendhilfe in der Schule“ die Herausforderungen aus, die sich daraus ergeben, dass Schulsozialarbeiter*innen einerseits in der Kinder- und Jugendhilfe fachlich verankert ist, andererseits aber auf "fremden Terrain" in der Schule arbeiten. Deshalb sind unterschiedliche Konstellationen von Macht und Ohnmacht sowie implizite und explizite Ermächtigungsstrategien in den Blick zu nehmen. Unterstützend könnten hier in multiprofessionellen Kooperationen sein:
- Gegenseitige Systemkenntnis, geteiltes Begriffsverständnis, möglichst explizite Räume und Verfahren zur Aushandlung von (Nicht-)Zuständigkeiten
- Anerkennen und Reflexion von (Ohn-)Machtsverhältnissen und Ermächtigungsstrategien
- Möglichkeiten zur sozialpädagogischen Verständigung auf Ebene der Träger der Schulsozialarbeit und Reflexion des eigenen Auftrags und der Verortung zwischen Differenzierung und Abgrenzung oder Zugehörigkeit zum „System Schule“
- Reflexion von Handlungs(un)sicherheiten und eines professionellen Umgangs damit vor dem Hintergrund vielfältiger Beauftragungen durch Institutionen, Träger und Kooperationspartner*innen
Die "Rolle einer lebensweltorientierten Schulsozialarbeit" beleuchtete Prof. Dr. Angelika Iser, Hochschule München. Zentral stellt sie dabei folgende drei Thesen heraus:
Eine professionelle Haltung der Schulsozialarbeit …
(1) … erfordert die permanente Bewusstheit, dass es nicht nur darum geht, Verhalten, sondern immer auch Verhältnisse zu verändern. Also ganz im Sinne des § 1, SGB VIII „junge Menschen in ihrer individuellen und sozialen Entwicklung [zu] fördern und dazu bei[zu]tragen, Benachteiligungen zu vermeiden oder abzubauen“ UND „dazu bei[zu]tragen, positive Lebensbedingungen für junge Menschen und ihre Familien so-wie eine kinder- und familienfreundliche Umwelt zu erhalten oder zu schaffen.“
(2) Das macht in der jetzigen Situation multipler und vermutlich anhaltender Krisen notwendig, eine an der Zukunfts- und Krisenfähigkeit orientierte Erziehungs- und Bildungsgestaltung mit zu kreieren. Dafür ist notwendig, bei der Entwicklung von Schulen und Bildungsnetzwerken oder -landschaften primärparteilich für eine lebenswerte Zukunft, die Resilienz und Handlungsfähigkeit von Kindern, Jugendlichen, Familien und die sozial-ökologische Umwelt einzu-stehen und mitzuwirken.
(3) Gelingende Kooperation und die gemeinsame Entwicklung einer zukunftsbefähigenden Bildungs- und Erziehungslandschaft setzen ein gemeinsames Ziel voraus. Für Schulsozialarbeit und weitere Bildungsakteure kann das Ziel eine gesunde und glückliche Entwicklung von Kindern, Jugendlichen und Familien – sowie deren sozial-ökologischen Umwelt – sein.
Im dritten Input „An den Kinderrechten orientiert - Fallstricke und Chancen für die Schulsozialarbeit“ ging Prof. Dr. Anja Reinecke-Terner, Hochschule Hannover, auf die Rechte der jungen Menschen in der Schule ein.
Für die Diskussion stellte sie drei Thesen in den Raum:
- Handeln innerhalb der Institution Schule ist oft von Routinen geprägt, die nicht vordergründig die Bedürfnisse der Kinder im Blick haben. Schulsozialarbeit agiert mitunter zunächst vor dem Hintergrund der schulischen Bedarfe.
- Die Schulsozialarbeiter*innen haben eine besondere Verantwortung, sich mit Kinderrechten auseinanderzusetzen und ihr Handeln diesbezüglich kritisch zu reflektieren.
- Die Träger müssen für diese „Haltungsentwicklung) die notwendigen Rahmenbedingungen stellen.
Im Fishbowl, moderiert von Philipp Löffler, Diakonisches Werk Württemberg, diskutierten die Teilnehmer*innen lebhaft, wie es gelingt eine klare professionelle Haltung in der Schulsozialarbeit zu entwickeln. Konsens war, dass dafür die Rahmenbedingungen wichtig sind. So braucht es funktionierende Teamstrukturen, klare Kooperationsvereinbarungen und Träger, die dafür sorgen, dass die Schulsozialarbeiter*innen in der Schule ihre Aufgaben erfüllen können.
Diese Diskussionen vertieften die Teilnehmer*innen am zweiten Veranstaltungstag in Kleingruppen. Der Fachbeirat Bildung wird mit den Ergebnissen weiterarbeiten und plant eine Veranstaltung für Fachkräfte der Schulsozialarbeit.
Die Präsentationen der Referate finden Sie im Downloadbereich rechts auf dieser Seite.