Mädchen*(sozial)arbeit ist Gleichstellungspolitik!
Mädchen* in Deutschland wachsen in den verschiedenen Lebenslagen auf und wählen als junge Frauen* die unterschiedlichsten Lebensentwürfe. Ihre Handlungsmöglichkeiten und -präferenzen sind gerahmt von einer Sozialisation, in der hierarchisierte geschlechterstereotype Rollen und Normen gesellschaftlich nach wie vor weit verbreitet sind und strukturelle Ungleichheiten in allen Gesellschaftsfeldern existieren. Zudem nehmen Retraditionalisierungstrends aufgrund des Erstarkens rechts-konservativer Strömungen wieder deutlich zu. Dies beeinflusst Lebensentwürfe junger Menschen, ihre Berufswahl, familiäre Arbeitsteilung, Erwerbsbeteiligung etc. nachweislich. Benachteiligte junge Mädchen* betrifft dies in besonderer Weise. Folgen sind weitere, ineinandergreifende Benachteiligungen, die sich u. a. in ausgeprägten„Gender Gaps“ (care, pay, pension, health, data) und Armutslagen manifestieren. Erfolgreiche Gleichstellungspolitik muss hier gegensteuern und geeignete Rahmenbedingungen schaffen, um bereits in Kindheit und Jugendalter Geschlechterrollen reflektieren zu können und für jeden jungen Menschen alle Optionen zu eröffnen.
Schaut man mit diesem Fokus auf die ressortübergreifende Gleichstellungsstrategie der neuen Bundesregierung, fällt auf, dass die die Altersgruppe der jungen Menschen als Zielgruppe nicht aufgenommen wurde. Dies ist unter den beschriebenen gesellschaftlichen Rahmenbedingungen mehr als bedauerlich. Insgesamt ist festzustellen, dass eher die (wirtschaftlichen) Leistungsträger*innen im Mittelpunkt von Politik zu stehen scheinen. Mädchen* – zumal jene, die zur Überwindung struktureller und individueller Hürden Unterstützung, Beratung und Begleitung benötigen – dürfen jedoch nicht nur auf ihre wirtschaftliche Leistungsfähigkeit reduziert werden. Sie haben per se ein Recht auf Entwicklung und Erziehung zu einer selbstbestimmten und eigenverantwortlichen Persönlichkeit und auf Gleichstellung der Geschlechter.
Wir fordern daher erneut, institutionalisierte geschlechterreflektierende Jugendsozialarbeit aufzubauen und neue, auf die derzeitige Lage angepasste Projekte zu fördern, die Handlungsoptionen für eine geschlechtergerechte Lebensführung beinhalten und insbesondere benachteiligte Mädchen* befähigen, gesellschaftliche Ungleichheitsverhältnisse zu erkennen und ihnen entgegenzutreten. Gendersensible Jugendsozialarbeit ist derzeit strukturell deutlich unterfinanziert, deshalb muss sie explizit auf die politische Agenda.
Gleichstellung ist gesetzlich verankert und nach wie vor dringend geboten – denn Geschlechtergerechtigkeit wirkt demokratiefördernd. Sie ist jedoch kein Selbstläufer.
Die BAG EJSA fordert daher:
• eine systematische Datenerhebung über geschlechterstereotype Sozialisationsprozesse und Bedarfe von Mädchen* in ihren vielfältigen Lebenswelten
• eine auf dieser Wissensbasis aufbauende Strukturförderung, geeignete Maßnahmen und Projekte für alle Mädchen* und jungen Frauen*
• die Einrichtung eines Referates, das die Belange von Mädchen* und jungen Frauen* vertritt und politisch sichtbar macht
• die Verankerung von Themen der Gleichstellung in Schule und Ausbildung.
Mädchen* auf die Agenda: Jetzt!