Im Gespäch mit MdB Bernd Rützel (SPD)

14.02.2022

Im Gespräch mit MdB Bernd Rützel (SPD) am 14.02.22, online

Bernd Rützel ist für den Wahlkreis 249 (Main-Spessart) in der dritten Legislatur im Bundestag.
Er ist Vorsitzender des Ausschusses für Arbeit und Soziales und stellv. Mitglied im Verkehrsausschuss.

Teilnehmer*innen des Gesprächs waren:
Bernd Rützel (MdB) sowie von der BAG EJSA: Christine Lohn (Geschäftsführung) und Christiane Weidner (Referentin für Migrationspolitik und Lobbyarbeit)

Als einige grundsätzliche Themen, die den MdB beschäftigen und interessieren, nannte er den sozialen Arbeitsmarkt, (die Überwindung von) Langzeitarbeitslosigkeit, Hartz IV (auch in seiner Wirkung auf Familien und Kinder), Bürgergeld, Mindestlohn, und Jugendberufshilfe. Aktuell liegt sein Fokus auf den Themen Kurzarbeitergeld und SodEG (Sozialdienstleister-Einsatzgesetz).

Nach kurzer Vorstellung der BAG ging Christine Lohn auf das im Koalitionsvertrag aufgeführte künftige Coaching-Angebot ein. (ergänzende Information: Laut KoaV soll Unter-25-Jährigen im Fall der Verletzung der Mitwirkungspflichten im Sanktionsfall ein Coaching-Angebot in Abstimmung mit der örtlichen Jugendhilfe unterbreitet werden.) Von Seiten der freien Träger wird befürchtet, dass diese Angebote (vorrangig) an Jobcenter angegliedert werden könnten. Das wäre sowohl für die Zielgruppen als auch das Maßnahme-Ziel nachteilhaft. Besser wäre angesichts der langjährigen Erfahrung die Anbindung an die breite Trägerstruktur.

Zur Umsetzung des Bürgergelds informierte MdB Rützel, dass dieses bis zum Juni beschlossen werden soll, damit es ab dem 01.01.2023 starten kann. Ergänzend sprach er von Programmfördermöglichkeiten aus dem Europäische Sozialfonds. Es ist zudem geplant, die Bundesagentur für Arbeit um- und auszubauen zu einer Bundesagentur für Arbeit, Weiterbildung und Qualifizierung. Das Prinzip des Vermittlungsvorrangs muss abgeschafft werden. Stattdessen soll künftig wirkliche individuelle und auch längerfristige Förderung erfolgen in wohlwollender, nicht mehr Kontroll- und Sanktionsatmosphäre.

Auf Nachfrage des MdB hin führt Christine Lohn aus, welche Auswirkungen die Pandemie auf junge Menschen bzw. speziell die Zielgruppe der JSA und die Arbeit mit dieser hatte. Da es sich bei der Zielgruppe häufig um schwer erreichbare junge Menschen handelt, Schulabsentismus und Ausbildungsabbrüche nicht selten sind, hat der Kontakt stark gelitten und haben deren Notlagen zugenommen. Insbesondere ohnehin bestehende prekäre Lebenslagen haben sich infolge der Pandemie häufig weiter verschlechtert.

Kritisch ist die Situation von Mädchen und jungen Frauen zu betrachten. Gewalt- und Missbrauchserfahrungen haben zugenommen. Noch weiter zugespitzt hat sich insbesondere auch die Lage von jungen Frauen in Flüchtlingsunterkünften, wo Räume und Ansprechpartner*innen noch weniger vorhanden sind und Ausweichmöglichkeiten fehlen. Generell hat es  einen „rollback“ in Bezug auf die Geschlechtergerechtigkeit in unserer Gesellschaft  gegeben.

Andererseits hat der Digitalisierungsschub im Bildungsbereich überraschender Weise auch zu individuellen Entwicklungsschüben geführt, wenn die Ausstattung vorhanden war und die jungen Menschen professionell durch Sozialabeiter*innen unterstützt und begleitet wurden.

Nach Ansicht des MdB hätten die Schulen (bei entsprechenden Sicherheitskonzepten und Hygienemaßnahmen) längst möglich geöffnet bleiben sollen. Christine Lohn erörtert, dass die Jugend/sozialarbeiter*innen vielerorts die letzten noch erreichbaren Ansprechpartner*innen blieben. Sozialarbeiter*innen haben viele innovative, kreative JSA-Ansätze und neue Formen der aufsuchenden Arbeit in allen Feldern entwickelt. Von diesen Innovationen kann die JSA auch in den kommenden Jahren noch profitieren und auf diese aufbauen.

Am Ende des bereichernden Gesprächs wurde auch für die Zukunft ein offener, direkter, unkomplizierter Kontakt auf „kurzem Dienstweg“ zu Themen von gemeinsamem Interesse – an der Schnittstelle von JSA und den Themen des AAS – vereinbart.