Grenzgänger JMD - Jahrestagung der Jugendmigrationsdienste

„Grenzgänger JMD“ – unter dieser Überschrift fand die Jahrestagung der evangelischen Jugendmigrationsdienste (JMD) vom 19. bis zum 21. November auf der deutschen und französischen Seite des Rheins in Kehl und Straßburg statt.

Das JMD-Team des örtlichen Diakonischen Werkes Ortenau war Gastgeber im besten Sinne: Edgar Berg, Felix Neumann sowie Dietmar Seiler-Fritsch hatten im Vorbereitungsteam wesentlich zur Programmgestaltung beigetragen. Ein europäischer Blick auf Migrationsarbeit stand im Fokus der Tagung. Am Beispiel des deutsch-französischen Grenzgebiets sollten Herausforderungen und Chancen identifiziert und neue Impulse für die eigene Arbeit gewonnen werden.

In der Stadthalle Kehl begrüßte Charlotte Hüllen, Referentin im Referat 506 des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend die JMD-Mitarbeiter*innen. Sie lobte die gute langjährige Kooperation mit der BAG EJSA und konnte die erfreuliche Aufstockung des Haushaltstitels für die JMD ab 2020 übermitteln.

Über Herausforderungen in der Beratungsarbeit berichtete anschließend Edgar Berg und veranschaulichte mit einem Fallbeispiel, wie „Behörden-Ping-Pong“ im Grenzgebiet geht: Klient*innen werden zwischen Deutschland und Frankreich hin- und hergeschickt, und wenn es kompliziert wird, fühlt sich niemand zuständig.

Murielle Maffessoli, Direktorin des Straßburger Observatoire Régionale de l’Intégration et de la Ville (ORIV), einer Einrichtung, die Daten zu Migration und Integration in der Région Grand Est aufbereitet und den Kommunen für ihre Integrationspolitik zur Verfügung stellt, und Anja Bartel, Soziologiedoktorandin der Universität Straßburg, vermittelten einen Überblick über die französische Migrations- und Integrationspolitik sowie über die Realitäten der betroffenen Migrant*innen.

Verschiedene europäische Institutionen standen am Vormittag des zweiten Tages auf dem Programm. Außerdem informierte die Sozialbürgermeisterin der Eurométropole Strasbourg, Marie-Dominique Dreyssé, über den Aufbau einer Willkommenskultur. Der Nachmittag bot zahlreiche Einblicke in die Arbeit von sozialen Einrichtungen auf der anderen Rheinseite:

Zwei Gruppen besuchten die lange etablierten Soziokulturellen Zentren La Meinau und Victor Schoelcher. Andererseits galt das Interesse jungen Vereinen, die Unterstützung für Migrant*innen organisieren bzw. das Zusammenleben von „Neuankömmlingen“ und Straßburgern fördern und das bürgerschaftliche Engagement stärken möchten. Hierzu zählten die Einrichtungen: Makers for Change und AMSED (Association Migration, Solidarité et Échanges pour le Développement). Bei den Einrichtungsbesuchen waren einerseits die unterschiedlichen Arbeitsansätze von Interesse, andererseits auch die Frage der Finanzierung und der Beauftragung sozialer Einrichtungen (Subsidiaritäts- versus Delegationsprinzip) und nicht zuletzt die unterschiedlichen Arbeitsbedingungen in Deutschland und Frankreich.

Die Eindrücke aus den europäischen und sozialen Einrichtungen wurden am dritten Tag reflektiert und in Vergleich zu deutschen Strukturen gesetzt. In Frankreich werden spezielle Hilfen für Migrant*innen vor allem in ehrenamtlichen Initiativen geleistet. Die Soziokulturellen Zentren richten sich an alle Bewohner*innen eines Stadtviertels, leisten dort Gemeinwesenarbeit. Ein wichtiger Financier neben den Kommunen ist die „Familienkasse“, in die alle Arbeitnehmer*innen einzahlen. Neben den Sozialarbeiter*innen sind in vielen Einrichtungen soziokulturelle „Animateure“ tätig – ein Beruf, den es in Deutschland so nicht gibt. Diese unterstützen die Freizeitpädagogik und Gemeinwesenarbeit in den Soziokulturellen Zentren und in sozialen Projekten. Da kein Hochschulstudium erforderlich ist, ist dieser Beruf auch eine gute Möglichkeit für neu eingewanderte Menschen, in der Sozialen Arbeit tätig zu werden.

Ein kurzer Vortrag von Markus Groda (Reutlingen) über seine eigenen (und die weiterer Helfer*innen) Erfahrungen in der Seenotrettung im Mittelmeer an den EU-Außengrenzen und die Arbeit der Seebrücke beeindruckte die Teilnehmer*innen sehr. Das Engagement bei der Rettung von Menschenleben und der Durchsetzung von Menschenrechten wurde mit Standing Ovations gewürdigt.

Abgerundet wurde das Programm durch ein Fotoshooting auf der symbolträchtigen Passerelle des Deux Rives, durch eine morgendliche Andacht mit Dekan Günther Ihle in der Friedenskirche in Kehl und durch eine Bootsfahrt auf der Ill – Pflichtprogramm bei einem Besuch in Straßburg.

Der Blick über die Grenze war anregend und macht Lust auf weitere „Grenzerfahrungen“ im Rahmen der JMD-Jahrestagungen.